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Lexikon

Lexikon zu Restauration und Vormärz. Deutsche Geschichte 1815 bis 1848 [14.02.2011]

Harald Lönnecker

Hambacher Fest


Vor dem Hintergrund der deutschen Nationalbewegung, des polnischen Aufstands und der französischen Juli-Revolution von 1830 veranstalteten pfälzische Liberale und Demokraten vom 26. bis 30. Mai 1832 das Hambacher Fest bei Neustadt a. d. Haardt (heute: a. d. Weinstraße).

Nachdem die Pfalz 1815 von Frankreich an Bayern gefallen war, blieb das französische Verwaltungs- und Justizsystem bestehen. Die neue Regierung beschnitt aber mehr und mehr die bürgerlichen Rechte und Freiheiten, installierte ein drückendes Steuer- und Zollsystem, das vor allem den Weinbau belastete. Begleitet von Mißernten und Hunger zog das wirtschaftliche Not und politische Unzufriedenheit nach sich. Dazu kam die Beschneidung der Pressefreiheit, die Durchsetzung von Zensur und Druckverboten. Liberale und Demokraten gründeten deshalb 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der nicht nur als Unterstützung einer freien Presse konzipiert war, sondern als Kristallisationskern für eine politische Umgestaltung Deutschlands. Er war der erste Vorläufer politischer Parteien, zählte in kürzester Zeit über 5.000 Mitglieder und strahlte bis nach Mitteldeutschland aus. Seine Führer waren vor allem ehemalige Burschenschafter, besonders hervor traten die Journalisten und Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und Johann Georg August Wirth (1798-1848).

Siebenpfeiffer, Wirth und der Zweibrücker Rechtsanwalt Friedrich Schüler (1791-1873) waren diejenigen, die für den 26. Mai, den Jahrestag der bayerischen Verfassung, auf der Burgruine Hambach ein Fest planten, das sie zu einem Fest gegen die Regierung umfunktionierten und unter dem Titel „Der Deutschen Mai“ (angelehnt „an die Maiversammlungen der Franken [Franzosen, H. L.] und an die Maiverfassung der Polen“) bewarben. Das Echo auf den Aufruf war enorm und überraschte die Initiatoren. Etwa 30.000 Menschen kamen nach Hambach, aus der Pfalz und dem Elsaß, aus Hessen und Baden, polnische und französische Abordnungen nahmen im fahnenübersähten Neustadt teil. Seit dem Hambacher Fest begann der Siegeszug von Schwarz-Rot-Gold als den deutschen Nationalfarben.

Das Fest begann am 26. Mai mit Freudenfeuern und Begrüßungsfeiern. Am 27. zogen die Teilnehmer vom Neustädter Marktplatz auf die Burgruine Hambach, wo mehrere Reden gehalten wurden, von denen die Siebenpfeiffers und Wirths besonders hervorstachen. Sie entwickelten eine Vision von einem republikanischen Europa der Nationen, vom freien Handel und einer Gesellschaft mit Bildung und Wohlstand für alle, gefolgt von einem dreimaligen Fluch auf die Könige und Fürsten als Volksverräter, was mit ungeheurem Jubel aufgenommen wurde.

Am 28. Mai trafen sich im Neustädter Schießhaus etwa 500 der führenden Demokraten und Liberalen vornehmlich Westdeutschlands. Gegenstand ihrer Beratungen war die Bildung eines gewählten „National-Konvents“. Die Radikalen verlangten die Bestimmung eines Tages, an dem die Revolution in Deutschland beginnen sollte. Schließlich verständigte man sich auf den Ausbau des Preßvereins, der zu einem Nationalkomitee werden sollte, einer „National-Repräsentation“, dem Bundestag als Volksvertretung bei- oder übergeordnet. Der Preßverein sollte zudem die liberalen Ideen weiterentwickeln und verbreiten. Dazu kam es nicht, denn die Polizei entdeckte bei Siebenpfeiffer ein Programm mit Forderungen nach deutscher Einheit, Volksbewaffnung, Volkssouveränität und Völkerbund. Er, Wirth u. a. wurden verhaftet, angeklagt und im Aufsehen erregenden „Landauer Assisenprozeß“ (29. Juli-16. August 1833) freigesprochen, anschließend jedoch wegen Beleidigungsdelikten verurteilt.

Das Fest und vor allem die gehaltenen Reden wurden von den deutschen Regierungen als direkte Aufforderung zu Revolution und Umsturz gewertet und mit Repressionen beantwortet. Viele der führenden Teilnehmer gingen ins Exil in die Schweiz und die USA. Die Versammlungs- und Pressefreiheit wurde noch stärker eingeschränkt. Eine weitere Folge des Festes ist der Frankfurter Wachensturm vom 3./4. April 1833, der Sturm vor allem von Burschenschaftern aus Heidelberg, Würzburg und München auf die Frankfurter Hauptwache mit dem Ziel der Auslösung einer Revolution. Zahlreiche Wachenstürmer hatten am Hambacher Fest teilgenommen.

Das Hambacher Fest fand zahlreiche Nachahmungen (Vach, St. Wendel, Königstein i. Ts., Butzbach i. Hess., Regensburg, Augsburg, Dinkelsbühl, Schmalkalden, Niederwald, Badenweiler, Spaichingen i. Württ., Wollenberg b. Marburg, Gaibach b. Würzburg, Wilhelmsbad b. Hanau), viele, die in Hambach teilnahmen, waren 16 Jahre später Mitglieder der deutschen Nationalversammlung. Das Fest diente der Herstellung politischer Öffentlichkeit und wurde als wichtige Kommunikationsmöglichkeit der sich entwickelnden Nationalbewegung begriffen. Hier konnten nationale Reden gehalten und Lieder gesungen werden, hier war die Verbreitung liberaler Ideen möglich, hier konnte die nationale Einheit propagiert und damit verbundene politische Aufbruchshoffnungen geweckt und geschürt werden. Soziale und regionale Grenzen wurden im Zeichen der Nation aufgebrochen, im Fest wurde die Nationsbildung zu einem Massenerlebnis.

Das Hambacher Fest wurde bereits von Zeitgenossen als Fortsetzung des Wartburgfestes von 1817 wahrgenommen, was auf der Wartburg die Studenten, das habe in Hambach das ganze Volk geschworen. Hambach war die größte und bedeutendste demokratische Volksversammlung des Vormärz, die erste politische Massenveranstaltung in Deutschland, der Höhepunkt einer breiten Bewegung in den deutschen Staaten, die erstmalige massenhafte Vertretung nationaler, radikaler republikanischer Forderungen und mit dem Preßverein der erste Versuch des Aufbaus einer organisierten Partei sowie die „erste Formulierung und Proklamation der Grundrechte des deutschen Volkes. Das Einzigartige und bis dahin noch nie Dagewesene hat Wirkung und Sprengkraft über das Jahrhundert hinaus.“

Literatur:

Baumann, Kurt (Hrsg.): Das Hambacher Fest. 27. Mai 1832. Männer und Ideen, Speyer 1957 (Nachdruck 1982);

Dvorak, Helge: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd. I: Politiker, Teilbd. 1-6, Heidelberg 1996-2005 [ein Nachtragsband erscheint voraussichtlich 2010, anschließend Bd II: Wissenschaftler und Künstler];

Foerster, Cornelia: Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes (Trierer historische Forschungen, 3), Trier 1982;

Foerster, Cornelia: Das Hambacher Fest 1832. Volksfest und Nationalfest einer oppositionellen Massenbewegung, in: Düding, Dieter/Friedemann, Peter/Münch, Paul (Hrsg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Reinbek b. Hamburg 1988, S. 113-131;

Hüls, Elisabeth: Johann Georg August Wirth (1798-1848). Ein politisches Leben im Vormärz, 2., unveränd. Aufl. Düsseldorf 2006;

Jakob, Josef: Die Studentenverbindungen und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft an der Ludwigs-Maximilian-Universität Landshut/München von 1800 bis 1833, Diss. phil. Fernuniversität Hagen 2002;

Kermann, Joachim: Harro Harring, die Burschenschaften und das Hambacher Fest. Das Burschenschaftsmotiv in seinem Drama „Der deutsche Mai“, in: Asmus, Helmut (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 197-217;

Kermann, Joachim/Nestler, Gerhard/Schiffmann, Dieter (Hrsg.): Freiheit, Einheit und Europa. Das Hambacher Fest 1832 – Ursachen, Ziele, Wirkungen, Ludwigshafen a. Rh. 2006;

Kopf, Sabine: Studenten im deutschen Press- und Vaterlandsverein – Zum Verhältnis von Burschenschaften und nichtstudentischer bürgerlicher Opposition 1832/33, in: Asmus, Helmut (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 185-196;

Krausnick, Michail: Johann Georg August Wirth. Vorkämpfer für Einheit, Recht und Freiheit. Eine Biographie, Weinheim/Berlin 1997;

Polster, Georg: Politische Studentenbewegung und bürgerliche Gesellschaft. Die Würzburger Burschenschaft im Kräftefeld von Staat, Universität und Stadt 1814-1850 (Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, 13), Heidelberg 1989;

Roeseling, Severin: Burschenehre und Bürgerrecht. Die Geschichte der Heidelberger Burschenschaft von 1824 bis 1834 (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, 12), Heidelberg 1999;

Stiftung Hambacher Schloss (Hrsg.): Hinauf, hinauf zum Schloss! Das Hambacher Fest 1832. Begleitbuch zur Ausstellung im Hambacher Schloss, Hambach/Neustadt a. d. Weinstraße 2008;

Wadle, Elmar (Hrsg.): Philipp Jakob Siebenpfeiffer und seine Zeit im Blickfeld der Rechtsgeschichte, Sigmaringen 1991.

Wolgast, Eike: Feste als Ausdruck nationaler und demokratischer Opposition – Wartburgfest 1817 und Hambacher Fest 1832, in: Bernhardi, Horst/Wreden, Ernst Wilhelm (Hrsg.): Jahresgabe der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1980/81/82, o. O. 1982, S. 41-71;

Zylka, Sylvia (Hrsg.): Philipp Jakob Siebenpfeiffer. Ein Leben für die Freiheit 1789-1845, Homburg 1992.

Empfohlene Zitierweise

Lönnecker, Harald: Hambacher Fest. Aus: Lexikon zu Restauration und Vormärz. Deutsche Geschichte 1815 bis 1848 [14.02.2011], hrsg. v. Andreas C. Hofmann, in: historicum.net, URL: https://www.historicum.net/purl/237z4e/

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Erstellt: 31.01.2011

Zuletzt geändert: 14.02.2011


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